Konzeption eines neuen Beratungshilfe-Formulars

Im Projekt „Digitale Rechtsantragstelle“ haben wir als ersten Anwendungs­fall die Digitalisierung des Antrags auf Beratungshilfe ausgewählt. Eine intensive Nutzendenforschung bildete dabei die Grundlage für die Entwicklung unserer ersten Onlinedienste. Die gewonnenen Erkenntnisse dieser Nutzendenforschung haben uns auch gezeigt, dass es Verbesserungs­potenzial beim bundesweit einheitlichen Papierformular zur Beantragung der Beratungshilfe gibt.

Eines der Hauptprobleme ist, dass viele Antragstellende das Formular nicht oder nicht vollständig verstehen. Bei der Recherche zum Online-Antrag sind wir auf verschiedene Verständnis-Probleme mit dem aktuellen Formular gestoßen, z. B.

  • Zahlreiche Formulierungen sind missverständlich, z. B. „Welchen Angehörigen gewähren Sie Unterhalt?“ oder „Vermögenswerte“.
  • Das Rechtsproblem und die Eigenbemühungen werden nicht verständlich abgefragt.
  • Es wird nicht deutlich, welche Dokumente notwendig sind.

Außerdem haben wir herausgefunden, dass Rechtspfleger:innen in der Praxis nicht alle im Formular abgefragten Informationen brauchen, um eine Entscheidung für oder gegen die Bewilligung zu treffen.

Im Februar 2024 haben wir die Ergebnisse der Nutzendenforschung dem zuständigen Fachreferat im Bundesministerium der Justiz (BMJ) präsentiert. Daraufhin wurde entschieden, einen Konzeptionsprozess zu starten, um das bestehende Papierformular anzupassen.

Konzept für einen neuen Formularentwurf

In sieben Iterationen zwischen März 2024 und März 2025 haben wir dann in enger Zusammenarbeit mit Rechtspfleger:innen unserer Expert:innengruppe, dem Fachreferat im BMJ und mit Unterstützung eines externen Dienstleisters für Formular-Design einen Entwurf für ein neues Beratungshilfe-Papierformular konzipiert.

In Kollaboration mit dem Fachreferat im BMJ entstand u.a. die Idee, die erste Seite des Antrags neu zu gestalten. Der Entwurf enthält Informationen zu den Voraussetzungen und eine Anleitung mit Ausfüllhilfe, die Bürger:innen auf drei Pfaden (Triage) durch das Formular führt – je nachdem, in welcher wirtschaftlichen Situation sich die Antragstellenden befinden. Antragstellende, die bestimmte Sozialleistungen erhalten, müssen beispielsweise nur die ersten Seiten ausfüllen, aber keine Angaben zu Einkommen oder Vermögenswerten machen. Außerdem enthält die neue Version auf dem Deckblatt QR-Codes, die auf die Onlinedienste zur Beratungshilfe hinweisen. Insgesamt wurden Formulierungen angepasst sowie Beispiele und Hinweistexte ergänzt.

Usability-Tests mit dem Entwurf für ein angepasstes Formular

Einen ersten Prototyp für das neue Formular-Konzept haben wir im Oktober 2024 bei einem Besuch am Amtsgericht Nürnberg mit Bürger:innen und Rechtspfleger:innen getestet. Weitere Usability-Tests mit einer iterierten Version fanden dann im März 2025 statt. Sechs von acht Testpersonen bevorzugten das überarbeitete Formular im Vergleich zu dem bestehenden. Sie bewerteten es als kürzer und einfacher zu verstehen. Die Orientierung zwischen dem Hauptbogen und den Anlagen führte allerdings noch zu Problemen.

Die Rechtspfleger:innen unserer Expert:innengruppe bewerten das neue Formular als „entscheidungsfähiger”. Die Angaben aus dem neuen Entwurf ermöglichten es, schneller und einfacher eine Entscheidung zu treffen. Insbesondere die Beschreibung des Rechtsproblems, die Angaben zur finanziellen Situation und die beigefügten Unterlagen bewerteten sie im neuen Formular als vollständiger und korrekter. Allerdings waren die Antworten zu den Eigenbemühungen und zum Vermögen weiterhin nicht immer eindeutig. Die Orientierungsschwierigkeiten von Bürger:innen in der Triage (alle Anlagen werden ausgefüllt) führten teilweise zu einer längeren Bearbeitungszeit.

Nächste Schritte

Im April 2025 haben wir den neuen Entwurf an das zuständige Fachreferat im BMJ übergeben. Der Entwurf ist keine finale Version, weitere Anpassungen des Formulars wird es durch das Fachreferat und durch eine Beteiligung der Länder geben. Als Projektteam haben wir bei der Übergabe einige Empfehlungen mitgegeben. Dazu gehören:

  • die Vereinfachung der Triage-Übersicht,
  • die barrierefreie Gestaltung des PDFs,
  • die Durchführung weiterer Verständnistests mit Bürger:innen
  • und die Durchführung einer Pilotierungsphase an zwei bis vier Amtsgerichten mit Begleitung durch Expert:innen-Interviews.

Um die neue Version zu implementieren, muss die Beratungshilfe­formularverordnung angepasst werden und eine Änderung des Beratungshilfe-Gesetzes wäre notwendig. Diesen Prozess möchte das Fachreferat nun initiieren. Ein erster Entwurf zu möglichen Änderungen des Gesetzes liegt bereits vor und wurde dem Projektteam übermittelt, um Feedback zu geben.

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