„Zugang zum Recht“-Quartalsbericht 3/2025

Einmal im Quartal fassen wir in diesem Beitragsformat die Entwicklungen der letzten Monate in den „Zugang zum Recht“-Projekten auf einen Blick zusammen.

Neues aus der Produktentwicklung

Neue Partnerländer und Pilotgerichte im Projekt „Digitale Rechtsantragstelle“

Im Projekt „Digitale Rechtsantragstelle“ freuen wir uns über die Beteiligung unseres neuen Partnerlandes Berlin und über die neuen Pilotgerichte AG Altona und AG Wandsbek (Hamburg), AG Velbert (Nordrhein-Westfalen), AG Bad Kreuznach und AG Rockenhausen (Rheinland-Pfalz) und AG Pößneck (Thüringen). Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit! Insgesamt beteiligen sich nun elf Länder und 24 Amtsgerichte am Projekt.

Kontopfändung (Zwangsvollstreckung)

Das Service-Team „Kontopfändung“ arbeitet aktuell an der Entwicklung eines digitalen Antragsassistenten zur Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos bei einer Bank. Im November haben wir einen ersten Prototyp des Antragsassistenten mit sechs Bürgerinnen und Bürgern getestet, die in den letzten drei Jahren von einer Kontopfändung betroffen waren. Der Test hat gezeigt, dass Nutzende den Onlinedienst als nützlich bewerten und die schrittweise Abfrage zum P-Konto-Antrag einfach verstehen. Einige der Testpersonen gingen aber fälschlicherweise davon aus, dass sie den Antrag direkt auf der Website verschicken können. Fachliches Feedback haben wir auch von unserer Expertengruppe eingesammelt. Die Erkenntnisse beziehen wir in unsere nächste Iteration des Prototyps ein. Als Nächstes beginnen wir mit der Recherche zum Antrag für die Freigabe von Einmalzahlungen.

Nachlass

Im Bereich Nachlass möchten wir perspektivisch die wichtigsten Stellschrauben bei der Vorbereitung von Erbschein-Anträgen vereinfachen: die Übermittlung von Daten und Dokumenten zum Erbfall ans Gericht sowie die Terminvereinbarung. Im Sinne der iterativen Produktentwicklung entwickeln wir im ersten Schritt ein Orientierungsangebot für potenzielle Erbinnen und Erben: den Erbschein-Wegweiser. Mit dem Wegweiser können Nutzende einschätzen, ob sie einen Erbschein benötigen, welche Personen nach gesetzlicher Erbfolge erben, welches Gericht zuständig ist und welche Dokumente für die Beantragung eines Erbscheins benötigt werden. So soll die Aufklärungsarbeit durch die Gerichte reduziert werden – insbesondere bei einfachen Erbfällen. Die technische Umsetzung des Wegweisers ist für das Frühjahr 2026 geplant. Parallel explorieren wir bestehende Lösungen und technische Möglichkeiten zur Terminbuchung und zur strukturierten Datenübermittlung ans Gericht.

Pilotierung des Onlineversands am Anwendungsfall Beratungshilfe-Antrag

Unser Produktteam arbeitet aktuell daran, mit dem Tool „COM Vibilia REST Edition“ einen digitalen Weg ins Amtsgericht über den elektronischen Rechtsverkehr (ERV) zu schaffen. Im Rahmen der Pilotierung des Onlineversands wollen wir digital ausgefüllte Beratungshilfe-Anträge direkt an unsere Pilotgerichte senden.

Bundeseinheitliches Justizportal

Im Oktober haben sich Vertreterinnen und Vertreter der AG-Zukunft, des Pflegeverbunds Justizportal, des BMJV und des DigitalService in Berlin zu einem Workshop zum bundeseinheitlichen Justizportal getroffen. Gemeinsam wurde u.a. an einer Vision und an einem Minimum Viable Product (MVP) für das Justizportal gearbeitet. Außerdem wurde über rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen sowie mögliche Modelle der Zusammenarbeit und Beteiligung diskutiert. Aktuell arbeitet der DigitalService an der Entwicklung eines Grobkonzeptes für ein bundeseinheitliches Justizportal. Ergebnisse aus dem Workshop und der Discovery-Phase fließen darin mit ein.

Endspurt für die Verabschiedung des Erprobungsgesetzes

Der Bundestag hat am 13. November 2025 das Gesetz zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit mit Änderungen des Rechtsausschusses verabschiedet (Bundestags-Drucksache 21/2780). Die abschließende Befassung des Bundesrates ist für den 19. Dezember vorgesehen. Das Gesetz soll noch vor Jahresende 2025 in Kraft treten. Es sieht vor, dass die Länder die an der Erprobung teilnehmenden Amtsgerichte durch eine Rechtsverordnung benennen. Aktuell arbeitet das Produktteam daran, die Onlinedienste für den praktischen Start der Erprobung ab dem 1. April 2026 anzupassen.

Entwicklung der digitalen Eingabesysteme für Zahlungsklagen

Im Projekt „Zivilgerichtliches Online-Verfahren“ arbeiten wir weiter an der Entwicklung eines digitalen Eingabesystems zur Erstellung und Einreichung von zivilgerichtlichen Zahlungsklagen bis zu 10.000 Euro bei den teilnehmenden Amtsgerichten. Derzeit wird die Erprobung mit neun Ländern und 13 Pilotgerichten vorbereitet. Der Abfragedialog soll Nutzende in zwei Schritten durch die Klageerstellung führen: zuerst sollen sie das für ihren Fall zuständige Pilotgericht finden und können, wenn es für ihren Fall ein zuständiges Pilotgericht gibt, im zweiten Schritt die Klage durch eine strukturierte Abfrage erstellen. Durch strukturierte Klageschriften sollen perspektivisch Aufwände und Verfahrensdauer für die Gerichte reduziert werden. Im November haben wir einen weiteren Konzepttest durchgeführt, insbesondere um den Flow für die Haupt- und Nebenanträge zu testen. Parallel wird daran gearbeitet, dass die im Eingabesystem erstellte Klageschrift auch als strukturierter Datensatz (XML-Datei im XJustiz-Format) erstellt und eingereicht werden kann, um eine effizientere Verarbeitung bei Gericht zu ermöglichen. Der Launch ist für den 1. April 2026 geplant.

Kommunikationsplattform

Im Team der „Kommunikationsplattform“ stehen wir in engem Austausch mit sieben Bundesländern, um die technischen Gegebenheiten in der Justiz zu identifizieren und Anforderungen an die Integration der Kommunikationsplattform zu definieren. Zum Thema Zustellung und Einladung der anwaltlichen Vertretung der Beklagten auf die Kommunikationsplattform fand außerdem ein Workshop mit deutschen Fluggesellschaften statt. Zugleich führen wir ab Dezember erste User-Research-Vorhaben in verschiedenen Amtsgerichten durch (u.a. Hamburg, Hannover, Nürnberg, Nürtingen, Dortmund und Steinfurt). Im ersten Schritt möchten wir unser Wissen über die Abläufe bei den Amtsgerichten weiter ausbauen. Wir wollen unsere Ideen mit den zukünftigen Anwenderinnen und Anwendern testen, sicherstellen, dass mit der Kommunikationsplattform einhergehende Änderungen gut in die Arbeitsabläufe eingegliedert und mögliche Probleme in der Praxis frühzeitig antizipiert werden. Justizmitarbeitende haben die Möglichkeit, an verschiedenen Formaten zum Wissensaufbau teilzunehmen, von Interviews über Umfragen bis hin zum Testen von Konzepten oder Prototypen. Beteiligt werden sowohl Richterinnen und Richter als auch Mitarbeitende in den Serviceeinheiten oder Geschäftsstellen. Zudem stehen wir im Kontakt mit Fluggesellschaften sowie deren Kanzleien, um die Bedürfnisse der beklagten Seite besser zu verstehen und zu evaluieren, wie die Kommunikationsplattform auch hier für Mehrwerte sorgen kann. 

In der Produktentwicklung arbeiten wir u.a. an der Verfahrensübersicht inkl. Suche, Filterung und Sortierung sowie an der Verfahrensdetailseite. Außerdem konzipieren wir den Datenraum bzw. die Abbildung der Gerichtsakte auf der Kommunikationsplattform und die digitale Zustellung der Klage.

Weitere Informationen zur aktuellen Produktentwicklung gibt es in unserem öffentlichen Backlog.

Status der Onlinedienste

Live auf service.justiz.de

  • Beratungshilfe: Vorab-Check und digitaler Antrag auf Beratungshilfe
  • Prozesskostenhilfe: Formular „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe“
  • Fluggastrechte: Vorab-Check und digitale Klage
  • Wegweiser Kontopfändung

In Entwicklung

  • Kommunikationsplattform für Zivilverfahren
  • Allgemeine Zahlungsklagen: Vorab-Check und digitale Klage
  • Zwangsvollstreckung: Antrag auf Eröffnung des P-Kontos
  • Nachlass: Wegweiser Erbschein

Konzeption

  • Bundeseinheitliches Justizportal: Entwicklung Grobkonzept

Aktuelle Zahlen aus unserem Daten-Dashboard

  • 5.142 durchgeführte Fluggastrechte-Vorab-Checks seit Launch (Juli 2024)
  • 80 heruntergeladene Fluggastrechte-Klagen seit Launch (März 2025)
  • 19.371 heruntergeladene Beratungshilfe-Anträge seit Launch (August 2024)
  • 7.856 heruntergeladene Prozesskostenhilfe-Formulare seit Launch (Dezember 2024)
  • 632 abgeschlossene Wegweiser Kontopfändung seit Launch (August 2025)

Erkenntnisse aus dem User-Research: Die Vorteile von Onlinediensten für Barrierefreiheit

Barrierefreiheit ist nicht einfach ein Zertifikat, sondern ein kontinuierlicher Auftrag. Unser Gespräch mit einer blinden Person im Rahmen eines Konzepttests für die digitale Klage zeigt auf, wie unsere Onlinedienste den Zugang zum Recht erleichtern können: 

„Viele Formulare sind nicht barrierefrei. Was eine Person mit Sehvermögen selbstständig erledigen kann, dafür benötige ich Unterstützung. Ein weiteres Problem ist, dass aus Datenschutzgründen keine digitalen Kopien verschickt werden dürfen. Das bedeutet, wenn ich einen Brief erhalte, muss ich erneut dafür sorgen, dass er barrierefrei ist [mit assistiver Technologie, funktioniert nicht bei handschriftlichen Inhalten]. Ich bin ein großer Fan von digitalen Dokumenten. Nicht nur, weil ich sie lesen kann, sondern auch, weil ich sie ohne zusätzliche Unterstützung [für die ich möglicherweise bezahlen müsste] speichern und abrufen kann.“

Wir müssen den direkten Austausch mit allen Nutzendengruppen suchen, um sicherzustellen, dass unsere digitalen Angebote von Anfang bis Ende wirklich inklusiv sind: von der Informationsbeschaffung bis zum digitalen Versand und digitaler Kommunikation. Weitere Einblicke.

Termine

Rückblick:

Vortrag und Podiumsdiskussion bei der Smart Country Convention 2025

In einem Vortrag und einer Panel-Diskussion auf der Smart Country Convention in Berlin haben Kirstin Schütz und Felix Völkel (DigitalService), Dr. Philip Scholz (BMJV) und Emanuel Schlecht (Richter am Amtsgericht) am Beispiel der digitalen Klage für Fluggastrechte Ansätze und Methoden für die Bund-Länder-Zusammenarbeit im Projekt „Zivilgerichtliches Online-Verfahren“ vorgestellt: Session auf YouTube ansehen.

Vorschau:

  • 27. Januar 2026 – Blick in das Projekt “Digitale Rechtsantragstelle”
  • 29. Januar 2026 – Projekt-Update “Zivilgerichtliches Online-Verfahren

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